In den Salzgärten von Guérande

Zu Besuch bei Laurent, einem Salzbauern in Guérande
Zu Besuch bei Laurent, einem Salzbauern in Guérande

Unser Treffpunkt befindet sich vor der Bar „Le Bretagne“ in dem kleinen Dorf Assérac. Reetdach gedeckte Backsteinhäuschen, blaue Fensterläden, blühende Hortensienbüsche – der winzige Ort verbreitet ungeniert seinen Charme, auch wenn er von den meisten nur auf Grund seiner Durchgangsstraße passiert wird. Ich jedenfalls stehe hier mitten in dieser verschlafenen Idylle und warte auf den Salzbauern Laurent. Seit 2002 ist er ein sogenannter „Paludier“ und erntet in seinen insgesamt sechs Hektar großen Salzgärten bis zu 150 Tonnen Salz im Jahr.

Seit meinem ersten Tag in der Bretagne, verfolgt mich das Meersalz auf Schritt und Tritt. Gesalzene Butter wird in nahezu jedem Restaurant zum Baguette gereicht, die typisch bretonischen Salzbutterkaramell-Bonbons bringen jede Diät ins Straucheln und der bretonische Butterkuchen Kouign Amann sowie die runden Butterkekse wären ohne die Zugabe von Meersalz nicht halb so köstlich.

Und deshalb stehe ich nun hier in Assérac: nur unweit des Örtchens beginnen die Salzgärten von Guérande

Eines der teuersten Salze der Welt wird hier bis heute in traditioneller Art und Weise angebaut. Schon die alten Römer ernteten hier in der Region die weiße Kostbarkeit und im 15. Jahrhundert verdankte die Stadt Guérande dem Export von Salz ihren Wohlstand. Dann wurde es ein wenig still um den Ort, die Salinen versandeten und erwachten, dank einer Gruppe von Idealisten, im 20. Jahrhundert wieder zu neuem Leben. Heute möchte ich mehr über das bretonische Gold erfahren und freue mich auf meinen Spaziergang mit Laurent durch seine Salzgärten.

Eine Sumpflandschaft unweit des Atlantiks. Von hier kommt eines der teuersten Salze der Welt - das Fleur de Sel aus Guérande.

Eine Sumpflandschaft unweit des Atlantiks. Von hier kommt eines der teuersten Salze der Welt – das Fleur de Sel aus Guérande.

Braune, durchdringende Augen, sonnengegerbte Haut, salzverkrustete Hände, die Haare zu einem lockeren Zopf geflochten, eine Mischung aus wildem Dreiwochen- und gepflegtem Ziegenbart – mit einem schiefen Lächeln und in seiner abgetragenen Arbeitskleidung steht Laurent vor mir. Wie alt mag er wohl sein? Die schwere körperliche Arbeit auf den Salzfeldern und jeden Tag der Natur und Meeresluft ausgesetzt zu sein, haben feine Linien in seinem Gesicht hinterlassen.

Von der Ortsmitte von Assérac zu den Salzfeldern ist es nur ein kurzer Spaziergang. Die Salzsümpfe liegen nach wenigen Minuten in der Sonne glitzernd vor uns. Ein verschachteltes Labyrinth aus Becken und Kanälen. An den Seiten wachsen hohe Gräser und Schilf, rotgefärbter Queller leuchtet entlang der Becken. Behände läuft Laurent mir voraus, er hat zur Veranschaulichung eine Zeichnung unter den Arm geklemmt – wild entschlossen mir heute das ausgeklügelte System der Salzgewinnung näherzubringen.

Paludier Laurent führt mich durch sein Reich

Paludier Laurent führt mich durch sein Reich

Das Prinzip des Salzanbaus ist in der Theorie recht einfach, erklärt mir Laurent

Bei Flut wird das frische Meerwasser (1 Liter Meerwasser enthält zu diesem Zeitpunkt etwa 25 Gramm Salz) aus dem Atlantik über ein verschachteltes System aus Kanälen in die Becken der Saline geleitet, in deren Mitte sich die sogenannten Kristallisationsbecken befinden. In diesen Becken aus Ton bilden sich, abhängig von den jeweiligen Wetterverhältnissen, Meersalzkristalle (am Schluss hat man eine Konzentration von rund 250 Gramm Salz in einem Liter).

Während den heißen Sommermonaten reift das Salz heran und wird im September/Anfang Oktober mit Hilfe spezieller Rechen von Hand geerntet. Nun trocknet das Salz einen Tag in der Sonne, bevor es mit einer Schubkarre zum Rand der Saline gebracht wird. Das geerntete Salz türmt sich so im Laufe eines Sommers zu mächtigen Salzbergen auf (leider bin ich mit meinem Reisezeitraum Anfang Oktober etwas zu spät dran – vor zwei Wochen hätte ich hier noch die weißen Salzberge bewundern können).

Soweit die Theorie…

In der Praxis benötigt ein Salzbauer viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung, um sich auf die täglich ändernde Wettersituation einzustellen und im jeweiligen Fall zu reagieren. Es gibt keine Formeln oder Algorithmen, die Becken und Kanälen dürfen weder zu viel, noch zu wenig Wasser führen. Denn: Salz, das man einmal verloren hat, bekommt man nicht mehr zurück.

Neben körperlicher Kraft, verlangt die Arbeit des Salzbauern viel Fingerspitzengefühl.

Neben körperlicher Kraft, verlangt die Arbeit des Salzbauern viel Fingerspitzengefühl.

„Speziell in meiner Anfangszeit stand ich diesbezüglich extrem unter Druck“, erzählt Laurent. „Ich komme nicht aus einer typischen Salzbauerfamilie und bin eher durch Zufall auf den Beruf gestoßen“, so Laurent. „Der größte Feind bei meiner Arbeit ist der Regen. In einem verregneten Jahr ernte ich im Schnitt eine Tonne Meersalz. In einem guten und sonnigen Jahr, können es schon mal bis zu 150 Tonnen Salz werden.“

Der erste Kontakt mit dem Beruf war zufällig, aber die Entscheidung, Salzbauer zu werden, traf Laurent bewusst: „Ich war früher als Lehrer tätig und war lange Zeit als Entwicklungshelfer in Westafrika unterwegs. Aber alle Berufe, die ich ausübte, haben mich nicht lange ausgefüllt. Häufig fühlte ich mich in einem Hamsterrad aus ständigem Leistungsdruck gefangen. 2002 kam ich hier in die Region und lernte den Beruf des Salzbauern kennen. Ich hatte sofort das Gefühl, dass es das ist, wonach ich so lange gesucht hatte.”

Heute diktiert mir kein Mensch mehr meine Aufgaben, sondern ich folge den Anweisungen der Natur

“Jeden Tag führe ich ähnliche Handgriffe und Tätigkeiten aus, aber dennoch sind die Anforderungen an mich Tag für Tag anders. Es ist zudem eine ehrliche und nachhaltige Arbeit hier draußen – ich arbeite genauso wie die Salzbauern vor zehn Jahrhunderten. Die Arbeit ist bis heute noch echtes Handwerk. Wir haben keine Maschinen, die uns etwas abnehmen könnten. Zudem sind wir alle voneinander abhängig. Auch wenn wir beim Verkauf des Salzes vielleicht Konkurrenten sind, helfen wir uns hier auf den Feldern gegenseitig.  Wir alle hängen voneinander ab, über den Winter können große Schäden in den Salzgärten entstehen und da benötigt es die Solidarität untereinander“, führt Laurent aus.

Etwa 330 Salzbauern arbeiten mit ihm heute in den Salinen rund um Guérande

Einige haben sich in Kooperativen zusammengeschlossen, andere verkaufen das Salz an Zwischenhändler, wieder andere verkaufen ihre Erzeugnisse direkt auf dem Wochenmarkt. „Man unterscheidet zwei Qualitäten“, fährt Laurent fort. „Zum einen haben wir das grobe Meersalz (Gros Sel), zum anderen die oberste Schicht, das kostbare „Fleur de Sel“.

Neben körperlicher Kraft, verlangt die Arbeit des Salzbauern viel Fingerspitzengefühl.

Etwa 60kg des kostbaren Fleur de Sel wird aus einer Tonne Salz gewonnen.

Das „Fleur de Sel“ bildet sich nur bei optimalen Wetterverhältnissen, das heißt viel Sonne, niedrige Luftfeuchtigkeit und ein Wind, der weder zu stark noch zu schwach sein darf. Auf der Wasseroberfläche wird so eine eisähnliche Schicht erzeugt, auch hier braucht es bei der Ernte viel Fingerspitzengefühl“, erzählt Laurent. „Ist der Wind zu kräftig, oder wird das Wasser unvorsichtig bewegt, sinkt die Schicht zu Boden und vermengt sich dort mit dem groben Meersalz“, so Laurent weiter. Die Bezeichnung „Fleur de Sel“ ist mittlerweile sogar geographisch geschützt: nur noch die Salinen der Guérande, der Ile de Noirmoutier und der Ile de Ré dürfen ihre handgeschöpften Salzblüten offiziell als „Fleur de Sel“ bezeichnen.

Auf dem Rückweg erzählt Laurent, dass heutzutage mehr Menschen den Beruf des Salzbauers ergreifen möchten, als geeignete Flächen in der Region vorhanden sind.

Auf der einen Seite kann ich diesen Wunsch nun nach dieser intensiven Tour verstehen: ein Leben im Einklang mit der Natur, sein eigener Boss sein, mit den eigenen Händen etwas schaffen und nicht acht Stunden am Tag in einen flirrenden Monitor starren – diese Gedanken haben schon ihren Reiz. Aber ganz realistisch betrachtet, fernab aller Sozialromantik?

Als Frau hätte ich als „Paludière“ vermutlich kaum eine Chance. Nur zehn Prozent aller Salzbauern sind Frauen und diese ständige Abhängigkeit vom Wetter, bei Wind und Regen draußen auf den Feldern schuften und mit den Gummistiefeln im Lehmboden versinken….das muss nun auch nicht sein. Auch würde mir vermutlich die Kommunikation fehlen – so alleine Tag für Tag in den Salzgärten. Laurent dagegen hat hier für sich sein Paradies gefunden.

Ich werde an ihn denken, wenn ich mir im kommenden Jahr Frühkartoffeln mit Butter und einer Prise Fleur de Sel zubereite – das Lieblingsrezept von Laurent, dem Salzbauer aus Guérande.

 

Meine Reistipps rund um’s Salz für die Bretagne:

  • Besuch des Museums „Terre de Sel“ bei den Salinen von Guérande

    Das Museum „Terre de Sel“ erklärt anschaulich die Salzernte in Guérande und ihre Tradition. Das ganze Jahr gibt es Führungen durch die Salinen sowie eine tolle Boutique mit hochwertigen Produkten aus der Region und einer großen Auswahl des berühmten Salzes.

  • Reiselektüre „Bretonisches Gold: Kommissar Dupins dritter Fall“

    Wie der Titel schon verrät, dreht sich bei Kommissar Dupins drittem Fall alles um das „bretonische Gold“, das „Fleur de Sel“ aus der Guérande. Ein kurzweiliger Krimi, der euch beim Schmökern alle Details rund um den Anbau und die Ernte von Salz näherbringt. Wirklich nur zu empfehlen!

  • Lesempfehlung: Artikel „Der Geschmack des Meeres“

    Schöner und ausführlicher Artikel des Deutschlandfunk über Salzbauern in der Bretagne. Mit vielen ergänzenden Informationen und Hintergründen zur historischen Wiederbelebung der Salzgärten im 20. Jahrhundert.

  • Leseempfehlung: Weitere Blogartikel

    Ich wurde auf meiner Reise durch die Bretagne von einigen lieben Blogger-Kollegen begleitet. Neben weiteren Geschichten auf meinem Blog, findet ihr weitere spannende Geschichten rund um die Bretagne hier: Delicioustravel, Gourmet-Blog, Lunch for one und Vielweib on Tour.

 

Der Aufenthalt fand im Rahmen einer Kooperation mit dem Comité Régional du Tourisme de Bretagne statt. Der Artikel spiegelt die Meinung der Autorin wieder.

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