Viele Reiseführer raten entschieden von einer Reise in ein arabisches Land während des muslimischen Fastenmonats Ramadan ab. Dass es dennoch einige Gründe gibt, speziell während des Ramadan ein muslimisches Land zu bereisen, möchte ich euch in diesem Beitrag zeigen.
Ägypten, Tunesien, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate, Marokko, Jordanien – in all diesen Ländern gehört die Mehrheit der Bevölkerung dem muslimischen Glauben an. Einmal im Jahr, während des Fastenmonats Ramadan, wird in der ganzen islamischen Welt gefastet. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang wird in dieser Zeit, rein oberflächlich betrachtet, auf das Essen und Trinken, auf Nikotin und fleischliche Gelüste (Sex) verzichtet. Moralisch sind die rund 30 Tage eine Zeit, in der man kleine Sünden wie Lügen, üble Nachrede, Aggression und Streit vermeidet, Abstand von weltlichen Ablenkungen nimmt und seine Aufmerksamkeit stärker auf seinen Glauben und auf Gott richtet. Gesellschaftlich betrachtet ist es eine Zeit der Freude und Feste – und genau dieser Aspekt macht es auch so spannend, in diesem Zeitraum als Reisender vor Ort zu sein.
Im Fastenmonat Ramadan wird weit mehr und teurer gegessen und getrunken, als im gesamten restlichen Jahr
Da die islamischen Feiertage sich nach dem islamischen und nicht nach dem internationalen Kalender richten, verschiebt sich der Fastenmonat jährlich um ein paar Tage, jeweils abhängig vom Mondaufgang, den man nicht errechnen, sondern nur beobachten kann. Daher ist es für Außenstehende lustig zu beobachten, wie ein paar Tage vor Beginn der Fastenzeit, die Menschen vor den Fernsehern zusammenkommen und darüber beratschlagen in wie vielen Tagen es nun losgehen wird. Die ersten Einkäufe und Vorbereitungen werden getroffen – ähnlich wie bei uns in der Vorweihnachtszeit.
Das Fastenbrechen, das sogenannte „Iftar“ (Frühstück) ist der Höhepunkt eines jeden Fastentages
Einige Stunden vor Einbruch der Dunkelheit wird es auf den Straßen hektisch – Passanten quetschen sich wagemutig an hupenden Autos vorbei über die Straßen, in den größeren Städten liegt der gesamte Verkehr lahm, jeder möchte noch frische Lebensmittel oder spezielle Ramadan-Spezialitäten ergattern um dann pünktlich wieder zu Hause zu sein. Die Frauen hantieren in der Küche (aber Vorsicht: natürlich darf man auch nicht die einzelnen Speisen abschmecken) und die letzten Vorbereitungen werden getroffen. Wenn dann alle Familienmitglieder und Verwandte/Bekannte am Tisch bzw. um das Essen versammelt sind und endlich der erlösende Ruf des Muezzin ertönt, darf gegessen und getrunken werden. Natürlich gibt es auch hier einen Ritus: Das Essen beginnt traditionell mit einem Schluck Milch sowie einer Dattel, auf die dann ein mehrgängiges Festmahl folgt. Aber lustig: auch wenn man den ganzen Tag so auf diesen Moment hingefiebert hat, setzt recht bald ein Sättigungsgefühl ein.
Wer es sich leisten kann, und für die Tage Urlaub eingereicht hat, feiert ausgelassen bis zum Morgengrauen. Man sitzt bis frühmorgens zusammen, raucht Wasserpfeife, nascht zuckersüße Köstlichkeiten, genießt die Zeit im Beisein enger Verwandter oder Freunde. Der Abend ist die Zeit der Entspannung, der Besuche, des Gebets und der Koranrezitation. In den frühen Morgenstunden, eine Stunde vor Sonnenaufgang, ist das Ganze dann erst einmal zu Ende. Nach einem letzten Gebet geht man zu Bett, und wenige Stunden später beginnt der gleiche Ablauf erneut von vorne.
Das Fastenende Aid al Fitr
In den letzten zehn Nächten des Ramadan pulsiert üblicherweise das öffentliche Leben. Aufwendige Vorbereitungen für den ersten Tag nach dem Fastenmonat, dem sogenannten Aid al Fitr, werden getroffen. Gewöhnlich wird ein Schaf geschlachtet, man feiert ausgelassen auf den Straßen, kleine Imbissbuden werden aufgebaut und allerorts ertönt laute Musik. Der Morgen des Aid al Fitr (Sichtung des Neumonds) ist ein großes Fest, dem speziell die Kinder entgegenfiebern.
In vielen Regionen ist es üblich, dass an diesem Festmorgen die Kinder der Ortschaft anstelle des üblichen Muezzins, zum Gebet rufen bzw. über die Lautsprecher der Moschee das Ende des Fastenmonats verkünden. Es gibt Geschenke und kleine Aufmerksamkeiten und natürlich führt einer der ersten Wege in die Moschee. Die folgenden drei Tage sind, ähnlich unserer Weihnachtsfeiertage, geprägt von familiären Treffen, Moscheebesuchen und öffentlichen Konzerten und Veranstaltungen.
Tipps für eure Reise während des Ramadan
Wie ihr aus den oberen Zeilen herauslesen könnt, ist der Fastenmonat eine besondere Reisezeit. Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl und Toleranz, werdet ihr aber speziell in dieser Zeit tolle Erfahrungen vor Ort sammeln. Dennoch solltet ihr ein paar Dinge beachten und bei einer Reise im Hinterkopf behalten:
Öffnungszeiten
Viele Geschäfte haben tagsüber geschlossen und öffnen erst am frühen Nachmittag. Insgesamt verlangsamt sich der Lebens- und Arbeitsrhythmus, desto näher das Ende des Fastenmonats rückt. Banken und Ämter haben teilweise komplett zu, teilweise gelten veränderte Fahrpläne für Bus und Bahn. Am besten ihr erkundigt euch direkt vor Ort über mögliche Änderungen.
Rücksichtnahme
Speziell in Jahren, in denen der Ramadan auf die heißen Sommermonate fällt, sind die 30 Fastentage eine echte Herausforderung. Hunger, Durst, Nikotinentzug, können leicht zu Gereiztheit führen. Daher: Während dieser Zeit die Einheimischen nicht durch auffälliges Rauchen, Trinken oder Essen provozieren. In den touristischen Gebieten ist es meist der Fall, dass Christen während der Fastentage für ihre muslimischen Kollegen einspringen, damit diese in Ruhe mit ihrer Familie feiern können.
Einladungen
Tagsüber sind einige Restaurants für Touristen geöffnet, dennoch empfehle ich euch, bis zum Einbruch der Dunkelheit zu warten und mit den Einheimischen zusammen das Iftar einzunehmen. Es passiert häufig, dass man als Reisender in eine Familie eingeladen wird – daher unbedingt zusagen, solche köstlichen Speisen, wie in einer arabischen Familie, findet man selten im Restaurant.
Ausnahmen
Auch wenn ich offensichtlich im arabischen Raum nicht als Einheimische durchgehe, wurde ich häufig auf meinen Reisen während des Fastenmonats gefragt, ob ich auch faste. Meistens habe ich die Frage wahrheitsgemäß bejaht, was dann auch sehr positiv von meinem Gegenüber aufgenommen wurde bzw. in einer Einladung zum familiären Iftar endete. Dennoch: Reisende, Alte und Schwache, Kinder, Kranke und Frauen, die ihre Menstruation haben, sind generell vom Fasten ausgenommen.
Und jetzt seid ihr dran! Seid ihr auch bereits während des Ramadan durch ein muslimisches Land gereist? Wie waren eure Erfahrungen, habt ihr weitere nützliche Tipps? Ich freue mich auf eure Kommentare und Berichte.
Ich durfte den Beginn des Ramadan in Istanbul erleben. Leider habe ich es zu keinem Iftar geschaft, aber die Spruchbänder an den Moscheen sahen toll aus.
Und am ersten Abend hatte ich das Gefühl, das alle Muezzin den gleichen Vers vortrugen, das war richtig unheimlich und ein Gänsehautmoment. Ansonsten war die einzige Einschränkung, dass man tagsüber schlechter erkennt, ob ein Restaurant gut ist, da ja keine Einheimischen drin sitzen 🙂
Viele liebe Grüße
Tanja
Lieben Dank! 🙂
Ich fand es auch recht spannend, während des Ramadans unterwegs zu sein. In den gemässigteren Ländern wie Indonesien oder Malaysia war ich auch überhaupt nicht eingeschränkt. und fand auch immer irgendwas zum Essen.
Ein wichtiger Punkt, wieso das Reisen während Ramadan häufig nicht empfohlen wird, hängt übrigens mit der signifikanten Zunahme von Unfällen jeder Art in der Zeit zusammen.
Persönlich kann ich nicht nachvollziehen, wieso jemand seine Gesundheit mit Fasten riskiert. Inbesondere auf Wasser zu verzichten ist in den heissen Monaten sehr schädlich und ich würde nicht empfehlen, mitzufasten. Aber das muss jeder selber wissen.
Hallo Oli, richtig, zum Ende der Fastenzeit können schonmal die Nerven blank liegen. Ich vergleiche das gerne mit der Hektik, die bei uns kurz vor Weihnachten ausbricht. Der Unterschied: bei uns ist es Winter und wir essen und trinken regelmäßig – ansonsten würden wir uns vermutlich auch mal im Kaufhaus an die Gurgel springen 😉
Meine Empfehlung bitte nicht falsch verstehen: ich möchte niemanden dazu ermuntern mitzufasten. Speziell in heißen Ländern und bei einem langen Sightseeing Programm ist es unerlässlich immer eine Flasche Wasser parat zu haben. Meine Ermunterung ging eher in die Richtung, eine Einladung zum Fastenbrechen in einer Familie nicht abzulehnen – dieses Erlebnis sollte man, meiner Meinung nach, nicht verpassen.
Für mich ist der Ramadan fast schon magisch, und ich liebe es während dieser Zeit zu reisen. Außerdem war es zum Beispiel in Marrokko weit weniger touristisch. Man muss jedoch, gerade in kleineren Städten, dafür offen stehen dass die Zeit eben anders tickt, aber gerade das hat mir unglaublich geholfen beim entspannen und loslassen.
Hallo Sabine,
ich fand das Reisen während des Ramadans auch ein tolles Erlebnis. Ich war in Tunesien unterwegs. Abends fuhr ich gemeinsam mit ein paar anderen im Taxi zurück zum Hotel. Auf dem Armaturenbrett lag ein Fladenbrot. Als endlich die Sonne unterging, war eine ganz besondere Stimmung im Taxi. Das Brot wurde rumgereicht – und auch uns “Christen” – wurde es angeboten. So herzlich und gastfreundlich. Eine meiner schönsten Erinnerungen an das Land.
Viele Grüße
Daniela
Hallo Daniela, ich bin wirklich begeistert, dass mittlerweile so viele Leser unter meinem Artikel ihre persönlichen Reiseerfahrungen während des islamischen Fastenmonats geteilt haben – und diejenigen auch meist nur positive Erfahrungen sammeln durften. Und auch deine Geschichte versetzt mich direkt zurück in meine Reiseerinnerungen, bei denen mir Ähnliches widerfahren ist. Der Ramadan ist einfach eine magische Zeit. LG Sabine
Ich hatte einmal zwei muslimische Mitbewohner und war völlig baff, wie sie es schafften, wirklich nichts zu essen und zu trinken den ganzen Tag.
Mit einem war ich an einem Tag mal unterwegs und ich hab ihn vorwarnen müssen: Ich werde das nicht aushalten, ich werde irgendwann etwas essen müssen! Ich kam mir dann – und komme mir in der Erinnerung daran noch heute – etwas doof vor, dass ich da ein Stück Brot verdrückt habe, während er nebendran saß.
Schon allein deshalb würde ich diese Reisezeit in muslimischen Ländern eher meiden – denn ich KÖNNTE gar nicht mitfasten (nein, ich kann nicht einen ganzen Tag nichts essen, keine Chance) und käme mir dann echt blöd und rücksichtslos vor.
Obwohl es mich natürlich interessieren würde, wie es ist. Und ein Fastenbrechen würde ich auch gerne mal mitfeiern 🙂
LG, Ilona