Buchtipp: The Coaching Habit

Buchtipp: The Coaching Habit

Ausgangssituation

Montagmorgens. Der Terminkalender ist gut gefüllt, das E-Mailpostfach quillt über und in wenigen Minuten steht das Teammeeting an – für das ich mich eigentlich (als Chefin des Teams) hätte besser vorbereiten sollen und wollen. Hektisch suche ich die Notizen und das Protokoll der vergangenen Woche heraus – gedanklich bin ich bereits beim direkt anschließenden Termin mit meinem Chef, in dem ich ihn von einem neuen Projekt überzeugen möchte. Das Team sammelt sich langsam, jeder nimmt seinen Platz ein, meine Sekretärin, die für das Protokoll verantwortlich ist, zückt erwartungsfroh den Stift. Es kann losgehen!

Eine Stunde später, ich hetze zu besagten wichtigen Anschlusstermin, gehe ich gedanklich die letzten 60 Minuten durch. Das Abarbeiten des Protokolls hat mal wieder viel zu lange gedauert, meine Kehle ist trocken vom vielen Reden und anders, als ursprünglich vorgenommen, sind mal wieder einige Projekte – die eigentlich im Verantwortungsbereich meiner Mitarbeiter liegen – auf meinem Tisch gelandet. Mein Überstundenkonto freut sich… Ich ärgere mich ein wenig, dass das Team nicht mehr Verantwortung übernimmt und mich bei jeder Kleinigkeit um Rat fragt. Aber das ist schließlich meine Aufgabe als Führungskraft, oder etwa nicht?

Allen, die sich in den oben beschriebenen Zeilen wiederfinden, lege ich die Lektüre des Buches „The Coaching Habit“ (Affiliate Link) des kanadischen Coaching-Profis Michael Bungay Stanier ans Herz. Mir hat es auf den über 200 Seiten mehrmals eindrücklich die Augen geöffnet und dank der sieben definierten Kernfragen wertvolles Methodenwissen für meinen Alltag als Führungskraft vermittelt.

Aber der Reihe nach – um was geht es in „The Coaching Habit?“

Als Führungskraft ist es unser Ziel, dass unsere Mitarbeiter bzw. unsere Teams, die für sie vorgesehene Arbeit in einem bestimmten Zeitraum bestmöglich erledigen. Allerdings möchten wir als moderne Chefs auch, dass unsere Mitarbeiter Tag für Tag dazulernen und dass sie mit der Zeit kompetenter, selbstständiger und erfolgreicher werden. Daher besteht unsere Aufgabe darin, dabei zu helfen, für die Mitarbeiter bzw. das Team den Raum zu schaffen, um wertvolle Lernmomente zu erfahren. Und diese Lernmomente entstehen eben nicht dann, wenn ich ihnen als gestresste Chefin die für mich bestmögliche Lösung vorgebe, sondern wenn sie durch gezielte Fragestellungen selbst auf die beste Lösungsmöglichkeit bzw. Herangehensweise stoßen.

Michael Bungay Stanier gibt den Lesern in seinem Buch „The Coaching Habit“ (Affiliate Link) hierfür sieben Kernfragen an die Hand:

  1. Die Kickstart-Frage
  2. Die Magische Frage
  3. Die Fokus-Frage
  4. Die Grundlegende Frage
  5. Die Bequeme Frage
  6. Die Strategische Frage
  7. Die Lern-Frage

Um nicht alles vorwegzunehmen (es lohnt sich wirklich, dieses Buch einmal gelesen zu haben!) werde ich mich in diesem Artikel nur auf die ersten drei  Fragen konzentrieren, die zusammengenommen bereits schon zu einem tragfähigen Skript für ein Coaching-Gespräch herhalten könnten.

Der erfolgreiche Beginn eines jeden Meetings: Die Kickstart-Frage

Gehen wir zurück auf die oben beschriebene Szene. Wie hätte sich das Meeting genau entwickelt?

Wie gesagt, es ist Montagmorgens, ein erfülltes Wochenende liegt hinter allen Teammitgliedern und es gibt einiges Privates zu berichten. Nach zehn Minuten Smalltalk rückt dann das Protokoll der vergangenen Woche in den Vordergrund – die ersten angeführten Punkte sind bereits mehrere Wochen alt und fressen kostbare Zeit. 15 Minuten vor Ende – ich werde nervös – weil der eigentlich (für mich) dringlichste Punkt wurde noch gar nicht angesprochen – drängle ich zur raschen Beendigung der Protokoll-Runde und führe meinen Punkt als Wichtigsten voran an. Zwei Minuten vor Ende sind die Aufgaben (mehr oder weniger) erfolgreich verteilt – aber viele Punkte auf den Notizblöcken des Teams konnten nicht angesprochen werden. Das nächste Mal müssen wir das Team-Meeting um eine halbe Stunde verlängern – dann klappt das Zeitmanagement bestimmt!

Michael Bungay Stanier hätte hier sicher die Augen gerollt und den Kopf geschüttelt. Seine Methode, um ein Gespräch oder Meeting erfolgreich und im Sinne der „Coaching Habit“ zu starten, ist die sogenannte „Kickstart-Frage“: „Was beschäftigt Dich/Sie/Euch gerade besonders?“

Mit dieser einfachen Frage suggeriert jede Führungskraft ihrem Team: „Lasst uns über das reden, was wirklich wichtig ist“ und gibt Raum für die wichtigsten Themen und Anliegen, die dem Team (nicht der Führungskraft!) aktuell auf dem Herzen brennen. Jeder Kickstart-Frage folgt die sogenannten „Magische Frage“ in Form von „Beschäftigt Sie/Dich/Euch gerade noch etwas anderes?“ um sicherzustellen, dass die gesamte Problemstellung beschrieben und kein Punkt / Thema vergessen wurde.

Das eigene Ratschlag-Monster beruhigen

Mitarbeiterin A ergreift dankbar das Wort und füllt die kommenden fünf Minuten mit einem ausführlichen Bericht über die zahlreichen Probleme, mit denen sie derzeit im Rahmen eines Projekts konfrontiert ist.  Die Kundin ist anstrengend, bei der Abwicklung gab es einen extern verursachten Fehler, die Budgetgrenze wurde dadurch um 5.000 Euro überschritten. Auf ihrer Stirn macht sich eine große Sorgenfalte breit – sie schaut mich verzweifelt an und wartet auf meinen Rat bzw. Lösungsvorschlag.

STOPP!

Vor der Lektüre des Buches wäre ich genau hier wieder in das Fettnäpfchen getreten und hätte entweder mit einem gütigen Lächeln das Problem selbst in die Hand genommen bzw. die Mitarbeiterin mit einem Lösungsvorschlag versorgt. Aber: Wir wollten ja Abstand nehmen von unserem früheren Ich und mehr Fragen stellen. Daher sind wir hier bei der dritten Kernfrage gelandet, der sogenannten „Fokus-Frage“: „Was ist hier die wirkliche Herausforderung für Sie/Dich?“ bzw. „Welche der von Ihnen/Dir geschilderten Herausforderungen, ist die für Sie/Dich Wichtigste?“ Damit fange ich nicht nur die Mitarbeiterin in ihrer oben geschilderten Ausführlichkeit ein, sondern mache auch klar, dass es sich um ein Problem handelt, das in ihrem Aufgabenbereich liegt und das auch sie lösen muss.

Mein Fazit

Dies war nur ein kleiner Einblick in drei der insgesamt sieben Kernfragen aus „The Coaching Habit“ von Michael Bungay Stanier (Affiliate Link). Ich würde das Buch jeder Führungskraft empfehlen, die sich in einer ähnlichen Lage (persönliche Überlastung, übermäßiger Abhängigkeit der Mitarbeiter von der Führungskraft (Flaschenhals), eingeschränkte Potentialentfaltung der Mitarbeiter) befindet. Der lockere Schreibstil des Autors, die guten Beispiele und die immer wieder an die Leser gerichteten Aufgaben haben das Buch zu einem kurzweiligen und lehrreichen Lese-Erlebnis gemacht und mir hilfreiches Methodenwissen zur praktischen Anwendung im Berufsalltag an die Hand gegeben.

Ich habe mir mittlerweile die sieben Kernfragen gut sichtbar in meinem Büro aufgehängt und übe mich darin, sie in den Meetings konsequent anzuwenden.

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